Transformation durch Leidenschaft - Interview mit Andrea Kolb

Mit einer alten bestickte Berbertasche aus Leder fing alles an. Andrea Kolb, Visionärin, Gründerin und Motor des florierenden Modelabels "ABURY - Beyond fashion, erfüllt die Wünsche der heutigen Konsumenten nach Stil und Ethik, nach Exklusivität und Nachhaltigkeit in einem einzigen, neuartigen Ansatz. 

 

Produkte wie die von eigens ausgebildeten marrokanischen Näherinnen produzierten Berber-Ipadbags, Berberbands, Boots und Clutches kann man individuell auf der ABURY Website zusammenstellen – Lieblingslederfarbe und –fadenfarbe auswählen und abschicken und schon wird das Einzelstück in Marokko exklusiv produziert.

 

Ziel der von Andrea ins Leben gerufenen ABURY Collection GmbH ist es, langfristig in möglichst vielen Gegenden der Welt Menschen zu ermöglichen, mit ihrem alten Können und Wissen wieder ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gleichzeitig initiiert oder unterstützt die ABURY Foundation gGmbH dort z.B. Trinkwasserprojekte oder Bildungsmaßnahmen, zu denen der Kauf jedes Produktes zu 50% beiträgt. Wichtigstes Grundprinzip ist dabei die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort - es geht um Hilfe zur Selbsthilfe, um Re-Aktivierung bestehenden Wissens und Integration der Menschen vor Ort in den Gesamtprozess.

 

Zu finden sind die einzigartigen Produkte auf der ABURY Homepage unter www.abury.net

Interview

VICTRESS: Gibt es einen bestimmten Moment oder Auslöser für Deine Entscheidung, ABURY zu gründen?

 

Andrea: Der Auslöser war die antike Berbertasche, die ich von meinem Mann geschenkt bekommen hatte. Ich war vorher beim Bau unseres Hotels Anayela in Marrakesch schon mit vielen Kunsthandwerkern in Kontakt und wusste um deren Situation. Als ich die Tasche mit nach Deutschland nahm und viele meiner Freundinnen sie toll fanden und auch gerne eine haben wollten, begann ich einfach nachzuforschen, wer die Taschen gemacht hatte und wie viele es noch davon gibt. Es war kein bestimmter Moment, eher eine Zeitstrecke von mehreren Monaten, in der es sich die Gründung von ABURY immer stärker herauskristallisierte.

 

VICTRESS: Die Idee von ABURY ist ja nicht, Handtaschen zu verkaufen – sondern die Erhaltung von kulturellen Schätzen und Kunsthandwerk. Trotzdem soll ABURY natürlich auch Gewinn abwerfen. Mit welchen Mitteln geschieht das?

 

Andrea: Langfristig kann das Projekt nur nachhaltig sein wenn wir aus dem Konzept ein Business generieren. Die übergeordnete Idee ist aber, dass wir mit dem traditionellen Kunsthandwerk moderne Produkte herstellen und den Menschen die Möglichkeit geben, mit ihren vorhandenen Mitteln ihren eigenen Unterhalt zu verdienen. Das heißt, sie müssen keine grundlegend neuen Fähigkeiten erlernen oder in Fabriken arbeiten, sondern sie können mit Tradition in die Zukunft zu gehen. Angefangen haben wir deshalb auch mit dem ABURY Ipad bag, weil es einfach so ein schönes Sinnbild ist: das überlieferte Handwerk beschützt unsere modernen Gadgets. Letztendlich sind wir aber aufgestellt wie ein ganz normales Unternehmen: wir machen ein Marketing / PR, gehen auf die Fashion Week und bauen Distribution und Logistik auf. Jemand kümmert sich um das Internet und natürlich um die Angelegenheiten der Foundation. streichen: und wir haben ein Lager.

 

VICTRESS: Wie wichtig ist dabei Social Media im Marketingmix?

 

Andrea: Da wir über ein limitiertes Budget verfügen, ist es für uns extrem wichtig, alternative Kommunikationskanäle zu finden, die den potentiellen Konsumenten effektiv erreichen. Wir sind gerade dabei, eine Strategie zu erstellen, um die einzelnen Instrumente noch besser aufeinander abzustimmen. Es gibt Studien, die besagen, dass Pinterest, für visuelle Produkte, die wir ja anbieten, eine attraktive Plattform ist, die auch verkauft. Daher wollen wir jetzt auch Pinterest mit unseren Aktivitäten auf Xing und FB verknüpfen. Wir schauen uns natürlich auch Trendrecherchen an und lernen, wie Social Media funktioniert. In diesem Bereich kann man auch mit kleinen Budgets einiges erreichen wenn man es geschickt anstellt.

 

VICTRESS: Wie nutzt Du Testimonials von Prominenten?

 

Andrea: Durch den sozialen Ansatz haben wir die Möglichkeit, prominente Menschen für Abury zu begeistern, die wir nicht monetär honorieren müssen. Benno Führmann und Jana Pallaske waren z.b. auf eigene Kosten vor Ort, haben sich alles angeschaut und gesagt: „Wir finden das super, Du kannst Bilder von uns verwenden und wir nehmen auch mal eine Tasche mit auf den roten Teppich“. Das ist für uns toll, weil diese Vertrauensträger natürlich Aufmerksamkeit generieren und das Vertrauen uns übertragen. Gerade bei sozialen Projekten ist streichen: gewisse Transparenz wichtig. Die Kunden wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert und ob es diese Nähschule wirklich gibt.

 

VICTRESS: Deine Philosophie lautet: Transformation durch Erfahrung. Was hast du in Marokko erfahren und gelernt?

 

Andrea: Diese ganze Reise Marokko und die Erlebnisse mit den Menschen dort ist noch gar nicht abgeschlossen. Ich habe das Gefühl, ich befinde mich mitten in einer Transformation. Ich lerne bei jedem Besuch etwas dazu und glaube, dass mich die letzten 5 Jahre auch verändert haben in meiner Denkweise und meinen Ansichten. Und sicherlich bin ich auch ein bisschen ruhiger geworden. Die Zeit tickt dort einfach anders. Checklisten bringen dort gar nichts und Termine mache ich inzwischen schon gar nicht mehr. Aber irgendwie ergibt sich dann doch alles irgendwie und es kommt zusammen, was zusammen kommen soll.

Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich mit Abury etwas gefunden habe, was mich rundum erfüllt und rundum alle Bedürfnisse abdeckt. Auf der einen Seite bin ich nicht nur philantropisch - ich will Erfolg haben, das Business aufbauen und natürlich auch Geld damit verdienen. Auf der anderen Seite erfüllt es die ganzen immateriellen Bedürfnisse, die ich in mir trage. Ich wollte immer etwas Soziales machen, wusste aber nicht genau was. Und jetzt habe ich ein Paket, bei dem ich merke: Da bin ich aufgehoben und genau das will ich jetzt machen.

 

VICTRESS: Könnte man sagen, Deine Definition von Erfolg hat sich erweitert?

 

Andrea: Eine gute Frage, genau darum geht es mir auch in der Kommunikation nach Aussen. Die Definition von Profit finde ich spannend: Warum muss der immer nur monetär definiert sein? Klar, ein Teil davon wird das immer sein aber ein großer Teil davon ist auch die ökologische und die soziale Bilanz. Ich habe auch wahnsinnig viel von den Menschen dort gelernt. Sie können vielleicht nicht lesen und schreiben und haben keine Bildung aber sind deswegen nicht weniger intelligent. Sie haben eine Weisheit, die uns komplett abhanden gekommen ist. Man muss sich einfach darauf einlassen und erhält dann ganz viel zurück, was viel wertvoller ist als nochmal 100 Euro mehr in der Brieftasche.

 

VICTRESS: Was bringst Du aus Deine Erfahrung, Deinem Wirtschaftsstudium mit, was die Menschen in Marokko von Dir lernen?

 

Andrea: Die Menschen dort kämpfen schon auch mit mir - wir haben oft Auseinandersetzungen, weil ich ihnen erkläre, dass sie mir auch ein bisschen vertrauen müssen wenn wir gemeinsam etwas schaffen und Geld verdienen wollen. Zum Beispiel was die Qualität angeht: Sie sind stolz auf ihre Werke und sagen: "Ist doch toll", und ich sage dann: "Nein, da müssen wir nochmal ran, wenn wir das verkaufen wollen. Glaubt es mir einfach!" Und so nach und nach, habe ich das Gefühl, dass sie es auch zu schätzen wissen, dass ich sie immer wieder herausfordere.

 

VICTRESS: Gibt es einen Unterschied im Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen in Marrakesch und auf dem Dorf?

 

Andrea: In Marokko gibt es eine große Schere zwischen Arm und Reich, gleichbedeutend mit Gebildet und Ungebildet. Es gibt sehr emanzipierte Frauen, sogar eine Bürgermeisterin in Marrakesch. Damit verglichen geht es auf dem Dorf etwas traditioneller zu. Auf der anderen Seite gibt es in den ärmeren Schichten in der Stadt viele verschleierte Frauen, die kaum Rechte haben. Im Vergleich dazu ist es auf dem Dorf wiederum gemischter, da sitzen beide Geschlechter abends zusammen und reden miteinander. Und die Frauen arbeiten dort wesentlich härter als die Männer, auf dem Feld und beim Wasserholen. Die sagen den Männern schon wo's langgeht…

 

VICTRESS: Wollt ihr auch Männer in der Nähschule aufnehmen?

 

Andrea: In einem ersten Schritt richtet sich das Angebot erst einmal nur an Frauen, aber ich persönlich fände es toll wenn sich auch Männer bewerben würden - traditionell war das Nähen ja Männersache. Wir arbeiten in Marrakesch auch mit männliche Nähern zusammen, die das Handwerk noch beherrschen.

 

VICTRESS: Wie wird es mit ABURY weitergehen?

 

Andrea: Wir werden uns 2013 auf jeden Fall noch auf Marrokko konzentrieren, um dort eine stabile Grundlage und Distributionsstruktur zu schaffen. Diese können wir dann für neue Kollektionen aus anderen Ländern oder Communities nutzen und die dazukommenden Produkte schneller in die Kanäle schicken.

 

VICTRESS: Was würdeste Du heute anders machen?

 

Andrea: Ich mache immer noch Fehler und lerne natürlich täglich einiges daraus. Es gibt ja kein konkretes Modell, dass garantiert funktioniert. Ich habe zum Beispiel auch das Thema Online völlig unterschätzt und zu Beginn sehr vernachlässigt - da hätten wir von Anfang an besser planen müssen.

 

VICTRESS: Du schaffst es, Deine Leidenschaft in Gewinn für Dich und andere umzuwandeln. Welchen Rat willst Du anderen Social Business GründerInnen mit auf den Weg geben?

 

Andrea: Man sollte die geschäftliche Seite nicht unterschätzen und sich von Anfang an konkret damit auseinandersetzen, am besten mit einem klassischen Businessplan. Wenn Du nachhaltig ein Unternehmen aufsetzen willst, musst du wissen, was du tust und darfst Dich nicht harakirimäßig hineinstürzen. Aber dann: Never lose your Passion! Der Weg ist das Ziel, glaube immer an Dich selbst, begeistere Leute mit Leidenschaft für Deine Ziele und dann schaffst Du es auch!

 

Das Interview führte Sonja Fusati, VICTRESS Initiative e.V.


Zur Person

Andrea Kolb studierte Wirtschaftswissenschaften und Kulturmanagement. Sie ist eine erfahrene Marketing-Expertin, Social Entrepreneur und Co-Founder des „2bd1.org“. 2007 eröffnete Andrea Kolb mit ihrem Mann in Marrakesch einen von ihnen restaurierten Stadtpalast, das AnaYela, den sie als "Place of Inspiration" zum Treffpunkt internationaler Denker und Macher etablierten. 2011 startet sie ihr Social Business Unternehmen „ABURY – beyond fashion“, mit dem sie ein Statement für einen neuen, nämlich authentischen und werteorientierten Luxus, der die Lebensfreude verschiedener Kulturen aufgreift, setzen möchte.


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